Wege aus dem ökonomischen Kalkül
Variationen zu Lebenskunst
--- aus einem Vortrag von Prof. Dr. Andreas Brenner (Basel) im Suso-Haus Überlingen
am 10. März 2012
Hier die freundlicherweise uns zur Verfügung gestellte schriftliche Fassung des Vortrages:
Andreas Brenner
Lebenskunst des Naturzeitraum*
Vom Ringen um die dritte Dimension
1. Was ist Lebenskunst?
Lebenskünstler sind, so lautet ein zeitgenössisches Urteil, selbstzentriert bis hin zum Egoistischen und Egomanischen. Dieses Urteil sagt indes mehr über unsere Zeit aus als über die Lebenskunst: Lebenskünstler erscheinen nämlich deshalb als selbstzentriert, weil sie sich vor der Kultur der Gegenwart, die sich durch ein hohes Maß an Selbstvergessenheit auszeichnet, besonders deutlich abheben.
In unserer Kultur, die auf der einen Seite von einer extremen materialistischen Orientierung geprägt und auf der anderen Seite durch eine Theoriesprache getränkt ist, die das gelebte Leben immer weniger zu fassen vermag, wirken Lebenskünstler besonders grell. Auffällig bis anstössig waren Lebenskünstler aber immer schon.
Besonderen Anstoss erregte bereits der erste Lebenskünstler der abendländischen Kultur, Sokrates: Sokrates lehrt, wie vielleicht kein anderer, was Lebenskunst bedeutet. Dies tut er, indem er sein Leben lebend darstellt. Beispielgebend für die Lebenskunst wirkt Sokrates dabei dadurch, dass er mit seinem Leben gerade nichts zeigen und gerade nicht belehren will.
Die Gestaltung seines Lebens ist das Thema von Sokrates´ Leben, ohne das sein Sterben gar nicht zu verstehen wäre. Der Phaidon kann denn auch als Gründungsschrift der Philosophie der Lebenskunst verstanden werden: Wir lernen hier einen Menschen in seinen letzten Stunden kennen, der bewundernswert reich zu sein scheint: In hohem Alter stehend, blickt er auf ein Leben zurück, das er sich voll und ganz selbst angeeignet hat; ein Leben, in dem er keine Kompromisse gemacht hat, ein Leben, in dem er von niemandem abhängig war und das er zugleich mit vielen Anderen geteilt hat. Die Freunde sind denn auch im Phaidon die zentralen Personen neben Sokrates: In der Stunde des Todes zieht er sie der Ehefrau und den Kindern vor: Aber ganz zum Schluss sieht sich Sokrates von allen Menschen verlassen, denn niemand interessiert sich mehr wirklich für Sokrates` Lehren oder für ein Gespräch mit dem Philosophen, alle stürzen in ihre ganz private Trauer und vergessen darüber selbst das, was ihnen einmal wichtig war.[1] Nur Sokrates kann seine Freiheit bewahren, und so lebt er weiterhin im Einklang mit seinen Überzeugungen und stirbt auch so. Die Gelassenheit, die seine Existenz ausgezeichnet hat, spielt ihm ein Lächeln auf die Todesmaske. In dem Werk seines Lebens erscheint Sokrates so überzeugend, dass er einigen als der einzige Freie der europäischen Kultur gilt. Freiheit ist seither das grosse Ziel der Menschheit geblieben.
Freiheit ist dabei jedoch nicht zu verwechseln mit Autonomie, wie sie vor allem unter Federführung Kants sich herausbildet: Freiheit, wie sie sich in einem Prozess der Gestaltung des eigenen Lebens ebenso zum Ausdruck bringt, wie sie diese Gestaltung erst ermöglicht, ist zu verstehen als Autarkie. "Autarkeia" meint die innere Freiheit, ein Zustand, bei dem das Ich nur von sich selbst abhängig ist.
Diesem Ziel der Autarkeia sind in der Nachfolge Sokrates` Lebensentwürfe vorgestellt worden, die die Abhängigkeit von Anderem und Anderen zu verringern versuchen. Trotz der im Einzelnen bestehenden Unterschiede kommen diese Lebensentwürfe darin überein, dass Autarkie nicht in einer Bewegung nach aussen, sondern alleine von innen her begründet werden kann.
Muten die Vorschläge dazu im Detail zuweilen ziemlich einfach an, so setzen sie doch ein recht ausgebildetes und überaus belastbares Selbstkonzept voraus. Wenn also beispielsweise Epiktet rät, nicht zu häufig zu den öffentlichen Spielen zu gehen, nicht "weitschweifig und masslos von den eigenen Leistungen zu reden" und nicht zu viel zu lachen,[2] so geht es immer um die Wahrung des "inneren Gleichgewichts", wie es Epiktet selber ausdrückt.[3] Diesem Ziel gemäss, muss man dem eigenen Leben ein "festes Gepräge und Muster" geben.[4]
Und hierhin liegt die Herausforderung eines jeden Projekts der Lebenskunst: Diesen Rahmen, in den man sein Leben fasst, muss jeder, der sein Leben leben will und d. h., jeder, der sein Leben als sein Leben leben will, selber bauen. Die Rahmung des eigenen Lebens offenbart dabei die Besonderheit des menschlichen Lebens.
Das Kunstwerk, das auf diese Weise entsteht, ist ein originäres Werk. Und in dieser Weise sind alle Menschen Künstler ihres Lebens, und sie sind dies, biographisch gesehen, immer schon: Seitdem Menschen den Weg ihres Lebens als ihren Lebensweg zu begreifen begonnen haben, haben sie in Permanenz nahezu unendlich viele Entscheidungen darüber getroffen, wie sie ihr Leben leben wollen. Dabei wird auch deutlich, dass Natur und Kultur nicht voneinander zu trennen sind, denn wie Menschen sich zu ihrer Natur verhalten, diese Frage der Selbstkultur, schreibt sich nicht weniger in das Leben ein, wie die Wahl ihrer Philosophie. Der Begriff "Auto-Biographie" ist daher wörtlich zu verstehen als das, was sich in das Leben selbst eingeschrieben hat.
Wenn in diesem Sinne also alle Menschen Künstler und Künstlerinnen ihres Lebens sind, wirft dies zum einen die Frage nach dem besonderen Sinn philosophischer Lebenskunst und zum anderen nach dem Zusammenhang von Lebenskunst und Philosophie auf. Der philosophischen Lebenskunst im Besonderen kommt dieselbe Aufgabe zu wie der Philosophie im Allgemeinen: das ist Aufklärung.[5] Philosophie hilft uns, einiges von dem, was wir können und vermögen, besser zu verstehen und in der Folge vielleicht auch besser zu machen. Diese Besserung verdankt sich Einsichten, die uns entweder durch die Philosophie erst vermittelt werden oder durch die Philosophie immerhin vertieft werden.
Zentral für alle diese Einsichten ist das Bemühen, Stand zu gewinnen und damit die Abhängigkeit von fremden Einflüssen zu verringern und die Eigenheit zu stärken. Im Sinne des Nietzscheschen "Werde, der Du bist"[6] geht es allen lebenskünstlerischen Anstrengungen darum, das eigene Menschsein zu artikulieren und weiter zu entwickeln. Dabei gewinnt der Mensch Autarkie. Die Minderung von vielfachen Abhängigkeiten, in denen sich der Mensch befindet, ist jedoch nur ein sekundärer Effekt der Lebenskunst. Primärer Effekt der Gestaltung des Lebens ist die Grundlegung eines Selbstverhältnisses, das allen anderen Selbstverhältnissen vorausgeht. Das gelebte und gestaltete Leben wird so zum Gesicht des Menschen. Mit seinem Leben wird er den anderen unverwechselbares Gegenüber; sie erkennen ihn an und identifizieren sein Leben mit seiner Person.
Das Kunstwerk des eigenen Lebens gleicht im Sinne der Goethesche Definition einer Novelle, nämlich einer "unerhörten Begebenheit".[7]
2. Was macht Lebenskunst?
Erst wenn es gelingt, ein Kunstwerk aus seinem Leben zu machen, erschafft man das eigene Leben als eigenes und entzieht es dem Sog der Auflösung in einem diffusen Brei gemeinschaftlicher und fremder Erwartungen. Das Kunstwerk des eigenen Lebens besteht demnach bereits in seinem Entwurf und manifestiert sich in dem Bemühen um das Eigene. Lebenskünstler sehen sich daher „aufgefordert, (ihr) Leben in ebendieser Weise zu führen, ohne das Leben irgendeiner anderen Person nachzuahmen."[8] Insofern erweist sich die Lebenskunst als eine widerständige Lebensform, die sich zwar immer wieder auf die Anderen und den durch andere geprägten Rahmen verwiesen sieht,[9] jedoch nicht diesen, sondern das Eigene als verbindlich anerkennt. Dass die Befreiung aus dem durch andere gestalteten Rahmen schwer fällt, erkennt man an dem um sich greifenden Phänomen der "Selbstverlorenheit", welches Martin Heidegger bereits im beginnenden 20. Jahrhundert ausgemacht hat. Am Beginn des 21. Jahrhundert mit seiner vorangeschrittenen technischen Überformung der Lebenswelt durch elektronische Virtualisierungstechniken und ihrer Gestaltungsmacht gesellschaftlicher Konstruktionen wie online-Netzwerken scheint sich der ein Jahrhundert zuvor gemachte Befund in einer um ein Vielfaches verstärkten Weise zu bestätigen. Tendenzen der Auswanderung aus der realen Welt mit ihren dort anzutreffenden realen Konflikten aber auch realen Erfahrungen von Erfüllung und Zufriedenheit werden zunehmend eingetauscht gegen entsprechende Substitute aus der Welt des Irrealen. Das Selbst geht auf diese Art durch den Effekt der "Abständigkeit" verloren, wobei die Konzepte "der Anderen" mit ihren Angeboten und Moden dazu beitragen, dass "das Sein abgenommen" hat.[10] Da sich diese Entwicklung unter der Decke des neutralen "Man" vollzieht, ist sie sowohl so wirkungsmächtig wie auch so schwer zu durchbrechen. Diese Analysen und ebenso seine daraus abgeleitete Folgerung weisen Heidegger als Lebenskunst-Philosophen aus, dem es um die Freilegung der "Grundverfassung der Eigentlichkeit" der Existenz geht.[11]
Die Eigentlichkeit der menschlichen Existenz ist primär in der Leiblichkeit des Menschen fundiert.
Der eigene Leib unterscheidet sich vom Körper dadurch, dass der Leib, anders als der Körper, nur von innen wahrgenommen werden kann, mithin ein Phänomen der Innenperspektive ist. Es kann mithin jeder Leibhaber nur seinen eigenen Leib wahrnehmen, wobei nicht ausgemacht ist, dass jeder das „Leiben des Leibes,"[12] wie Heidegger die Besonderheit dieser Wahrnehmung beschreibt, auch als solches erlebt. Da der Leib ein Phänomen beschreibt, dass aus der Erste-Person-Perspektive sich als solches erst etabliert, bedeutet dies, dass es analog der Vorstellung einer Selbstvergessenheit auch eine Leibvergessenheit gibt. Aus diesem Vermögen des Leibes folgt umgekehrt, dass Lebensphasen der Leibvergessenheit neben dem Selbstverlust auch einen Weltverlust bedeuten. Wer aus seinem Leben ein Werk machen will, muss sich daher bemühen, dem Verlust des eigenen Leibes entgegenzuwirken. Lebenskünstler werden daher die Kunst des Hinhorchens auf das Leiben des eigenen Leibes üben und sich um eine Verfeinerung der Wahrnehmung des eigenen Leibes bemühen.
Die Weisen der aktiven Wiedererringung des Leibes (und damit des Selbst) haben nicht nur lebenskünstlerisches, sondern auch über die Privatheit hinausgehendes gesellschatsreformatorisches bzw. -therapeutisches Potential, weswegen der Lebenskunst immer auch ein subversives Moment innewohnt. Im Folgenden soll dieses Potential der Lebenskunst in drei Bereichen verdeutlicht werden, dem temporalen, dem naturalen und dem architekturalen.
3. . Weisen der Lebenskunst
3. 1. Lebenskunst temporal
Keine Zeit zerrinnt, läuft und rast so schnell davon, wie die Zeit der Moderne und dies mit zunehmender Tendenz, weswegen sich den Menschen der Gegenwart ungeachtet ihrer zunehmend erweiterten Lebensdauer und ihrer vermehrt ausgebauten technologischen Unterstützung, immer öfter der Eindruck aufdrängt, keine Zeit zu haben und über immer weniger Zeit wirklich autonom verfügen zu können. Viele reagieren auf dieses Phänomen der Beschleunigung mit einer Erhöhung der eigenen Bewegungsbeschleunigung, was indes die Verkürzung der Zeit umso deutlicher vor Augen führt und seinerseits zu weiterer Beschleunigung treibt. Die Folge ist ein großes Gehetze.
Um zu verstehen, welche Besserungschancen in diesem Desaster von der Lebenskunst zu erwarten sind, ist es wichtig, das als Ursache ausgemachte Phänomen besser zu verstehen. Wenn von der dramatischen Verknappung der Zeit in der Moderne die Rede ist, wird die Beschleunigung aller Lebensbereiche als die gängige Erklärung geliefert. Als Motor der Bewegung gilt dabei die moderne kapitalistische Ökonomie. Benjamin Franklins Diktum "Time is money"[13] ist denn auch als Grundsatz des Kapitalismus nicht auf die Ökonomie beschränkt geblieben, sondern hat, über diese hinausgehend, alle Bereiche des Lebens erfasst. Die Okkupation aller Lebensbereiche durch den ökonomischen Verwertungsanspruch an die Zeit ist als Verkürzung der Gegenwart beschrieben worden, welche letztlich ein totalitäres Ausmaß annehme, in der alle Lebensbereiche, und das heißt im wahrsten Sinne von der Geburt bis zur Bahre dem Diktat der Uhr ausgeliert sind.[14] Der ökonomische Verwertungsdruck, der auf der Zeit lastet, vernichtet nicht nur diese, sondern zusätzlich auch die gelebte und das heißt, die geteilte Zeit.
Zeit ist nur als geteilte ganz, weil sie nicht einfach wie ein Substrat, von dem man sich bedienen kann, vorhanden ist, sondern erst in Situationen entsteht. Wer sich alleine oder mit anderen einer Arbeit, einem Spiel, einer Betrachtung zuwendet, der verlebendigt sich, indem ihm die Zeit, in der er sich diesen Tätigkeiten zuwendet, zufließt. Die Flüssigkeit der Zeit ist dabei nicht identisch mit Flüchtigkeit. Flüchtig ist nur die ungenutzte, gleichsam tote Zeit. Gelebte Zeit wird hingegen lebendig wie derjenige, der sie lebt, erst in der Hinwendung zu etwas lebendig wird. Das bedeutet nicht, dass der ruhelose Aktionismus die Voraussetzung der Lebendigkeit wäre. Im Gegenteil führt die gerade in der Spätmoderne zu beobachtende Hyperaktivität zu einer Verflüchtigung der Zeit und damit auch zu einem Absterben des Lebendigen. Symptome von Burn-Out, Apathie oder Ermüdung sind dann die Folge. Zeit kann in ihrer belebenden Flüssigkeit auch in Phasen der Ruhe und des scheinbaren Nichtstuns erlebt werden. Das Loslassen eines instrumentellen Verwertungsziels, die Befreiung aus dem instrumentellen Um-zu-Denken kann bereits das Tor zum Erleben der Zeit öffnen. Kontemplation, Meditation oder ganz einfach das Dösen können Erfahrungen von Zeit vermitteln.
In temporaler Hinsicht stemmt sich die Lebenskunst also sowohl gegen die mit ihrer Ökonomisierung einhergehende Kommerzialisierung als auch letztlich gegen die Vernichtung der Zeit selbst.[15] Denn die Time-is-Money-Ideologie drängt durch die Verbindung der Zeit mit dem aus dem Fordismus entlehnten Effizienz-Gedanken, nach dem der Out-Put je Zeiteinheit immer weiter erhöht werden muss, zu einer tendenziell unbegrenzten Beschleunigung. Dieser Beschleunigungsprozess birgt die Gefahr, dass Zeit nicht mehr als geteilte erlebt werden kann, sondern im permanenten Vorgriff auf das Noch-Nicht nicht mehr erfahrbar ist. Eingespannt in konkrete Zeitbeschleunigungssystemen wie Straßen- oder Daten-Autobahnen führt der Vorgriff auf das Noch-Nicht gerade bei hoher Geschwindigkeit nicht selten in den Stau.[16] Im totalen Stillstand fehlt jedoch jeder Freiraum zur Muße oder Kontemplation, weswegen solche Phasen als verlorene Zeiten gelten, Zeiten also, in denen die Zeit verloren gegangen ist. Verloren ist sie, weil sie in keiner Weise mehr erlebbar ist. Vor dem Hintergrund dieser Situation der "Zeit" erklärt sich auch, warum die nahezu exzessiv vertretenen und vermarkteten Produkte der Entschleunigung keinen grundlegenden Wandel einleiten und nicht selten das Symptom, dass sie zu kurieren versprechen noch verschärfen.
Ein Leben in lebenskünstlerischer Absicht wird sich daher in temporaler Hinsicht bemühen, erstens sich von der temporalen Bevormundung und Fremdbestimmung frei zu machen und zweitens an der Wiedergewinnung der zersplitterten Zeit zu arbeiten.
Für den Widerstand gegen die temporale Vorherrschaft lässt sich daraus lernen, dass es hoffnungslos ist, sich an einem fremden Gegner abzuarbeiten, dem man sich dann doch nur umso mehr anähnelt. Der temporale Widerstand findet seine Form daher nicht in seinem Widerpart. Die Form temporaler Widerständigkeit, das Verweilen, ist denn auch von anderer Art. Derjenige, der verweilt, nimmt sich heraus aus dem linearen Zeitkonzept. Nicht lineares Fortschreiten, sondern Ruhen oder Kreisen ist seine Sache.
Auf Grund seiner ganz anderen Struktur ist das Verweilen geschützt vor dem Übergriff der linearen Zeit und trägt damit dazu bei, die Zersplitterung der Zeit zu überwinden. Damit verschränken sich beide Weisen der Widerständigkeit und offenbaren damit auch ihre Gemeinsamkeit: die Heilung von den Wunden des linearen Zeitkonzepts. Das ruhende Kreisen des Verweilenden macht Zeit wieder erlebbar und trägt zur Überwindung der Phase ihrer Zersplitterung bei.
3.2. Lebenskunst natural
Die Verdrängung des Leibes dünnt neben den Selbsterfahrungen auch die Erfahrungen der Außenwelt aus. Signifikant für diese Ausdünnung der Erlebens- und Erfahrungswelt des Menschen ist seine Naturbeziehung. Die De-Intensivierung dieser Beziehung ist für den Menschen in mehrfacher Hinsicht bedeutsam: Sie verringert die Möglichkeit elementarer Erfahrungen, schafft mit diesem Leerraum die Voraussetzung zum Einzug und weiteren Ausbau artifizieller Welten, was die Reste der Elementarwelt weiter unter Druck bringt und zugleich die Fähigkeiten, mit dieser Welt in eine responsive Beziehung zu treten, mangels ausreichender Einübung in einen solchen Antwortzusammenhang weiter mindert. Um solche Verkümmerungen zu vermeiden, bedarf es im zweifachen Sinne der Aufmerksamkeit: In erster Hinsicht ist ein Aufmerken auf die Regungen des eigenen Leibes und seine Sprache von Nöten. Hinhorchen, Hineinspüren und Nachspüren sind die Qualitäten dieser nach innen gerichteten Aufmerksamkeit. In zweiter Hinsicht bedarf es eines Aufmerkens auf die Welt außer einem selbst. Dabei geht es um das visuelle, auditive, olfaktorische taktile, kurz, möglichst umfassende leibliche Gewahrwerden der Vielfalt der Welt. Die beiden Hinsichten der Aufmerksamkeit, diejenige nach innen und diejenige nach außen, sind dabei aufeinander verwiesen und nicht getrennt zu haben. Diese Gemeinsamkeit wird zusätzlich bestärkt durch die höhere Bildung der Wahrnehmung, welche wie jede Kunst so auch die Lebenskunst ausweist.[17]
Eine exzellente Schule der Wahrnehmung ist die Natur. Der überbordende Reichtum an Repräsentationen, welche in der Natur zu finden ist, stellt eine Lebenswelt dar, die ein hohes Maß an Affektion erreicht und gleichzeitig den Erleber selten überfordert. Denn Phänomene der Überforderung, wie sie aus artifiziellen Umwelten und ihrer Reizüberflutung bekannt sind, gibt es in der Natur selten. Da derjenige, der Natur erlebt, es mit einem lebendigen Gegenüber zu tun hat, vermag er mit seinem eigenen Rhythmus auf seine naturale Lebenswelt einzuschwingen. Selbst in Momenten, in denen der Anblick einer gigantischen Berglandschaft oder eines grandiosen Canyons einen nach eigener Aussage "überwältigt" und deren Erhabenheit einen zum Verstummen bringt, vermag sich der Mensch häufig sehr schnell zu erholen, kann er doch, wenn das Große ihn überfordert, im Kleinsten Möglichkeiten zur Korrespondenz finden. Hierin zeigt sich die Verwandtschaft des Menschen mit der Natur und zugleich der Unterschied zur Nicht-Natur: Die Primärerfahrungen, welche das Erleben der Natur vermittelt, sind nicht zu ersetzen durch Technik, weswegen die virtuellen Techniken der Simulation auch kein Ersatz für Natur sein können. Wer internetbasiert die Welt bereist, der erhält viele Informationen und wird vielleicht auch mit Bildern erregt, ohne doch wirklich mit ihnen zu korrespondieren.[18] Das Gefühl der Erschöpfung ist nach solchen Ausflügen auch ungleich demjenigen der Ermüdung, wie es sich nach einer Auseinandersetzung mit der Natur, beispielsweise auf dem Wege einer Wanderung, einstellt: Macht die Erschöpfung im wahrsten Sinne leer, so weckt die Ermüdung die gesunde Lust nach erholsamem Schlaf.
Dass natuale Mitwelterfahrungen immer schwerer zu haben sind, liegt daher nicht nur an der Verdeckung des Leibes, sondern auch an dem Zurückdrängen der Natur, welche immer seltener noch Gelegenheiten zu ihrem Austausch bietet. Dieses Phänomen hat in den hochindustrialisierten Staaten ein dramatisches Ausmaß erlangt. Nicht nur ist die unberührte Natur weitgehend verschwunden und in Naturlandschaften eingebaut worden, sondern zusätzlich sind diese Landschaften technisch weiter überformt worden, so dass die Korrespondenz mit der belebten Natur immer weniger gelingt. Der Spaziergänger wird diesen Verlust, der sich unter anderem auch in der Stimmungsleere dieser technologisch überformten Naturräume zeigt, an seiner Erschöpfung ausmachen können. Der Niedergang der Kultur des Spaziergangs ist denn auch durch den Mangel an Spazierwegen bedingt[19] und dieser ist wiederum Folge der "Auswechslung der Landschaft".[20] Die Folge des totalen Umbaus eines Landes führt zu Heimatverlust und einem "Leben in künstlichen Räumen"[21]. Dass die Entheimelung so lange unbemerkt blieb, hat auch mit einer Verkümmerung der Wahrnehmung von Natur und Landschaft zu tun: Fixiert auf Bilder, deren selektive Wahrnehmung von bestimmten Interessen an der Natur geprägt sind,[22] fehlt der Sinn für das Ganze. Und so konnte, orchestriert von einem kurzfristigen ökonomischen Wohlfahrtsinteresse die Landschaft bis zur Unkenntlichkeit umgebaut werden. Dass es soweit hat kommen können, ist, Folge der mangelnden naturalen Lesefähigkeit, die sich insbesondere in der Unfähigkeit ausdrückt, das Dazwischen zu sehen. Und so werden Zwischentöne und Zwischenbereiche nicht mehr erkannt.
3.3. Lebenskunst architektural
Der Verlust der Zeit, welche die Menschen in die temporale Aufenthaltslosigkeit gestürzt hat und die Erblindung unserer Wahrnehmung, welche uns des Sinns für das Unsichtbare beraubt hat, haben auch Einfluss auf die umbauten Refugien der Menschen, ihre Häuser. Die benannten vorangegangenen Heimatverluste und die damit einhergehenden Abstumpfungen des Sinnes für die Zwischentöne haben eine Anspruchslosigkeit zur Folge, als deren manifesten Ausdruck man die Häuser, in denen Menschen ihr Leben fristen, betrachten kann.
Diese Entwicklung ist nicht ohne Vorgeschichte: Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs stellte sich in Europa die Frage, wie die Städte wieder aufgebaut werden sollten. Die Debatten, die in den späten vierziger Jahren in Deutschland geführt wurden, haben nahezu fünf Jahrzehnte angehalten und erst nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten an Intensität und ideologischer Schärfe nachgelassen. Das Bekenntnis zu materiellen Details wurde dabei bisweilen ideologisch überhöht und zur Diffamierung der Gegenseite genutzt. So standen beispielsweise Glas gegen Backstein und Flachdach gegen Giebeldach. Seinen Vorläufer hatte dieser Streit bereits in der Weimarer Republik, deren "weiße Architektur"[23] als Sinnbild der Moderne galt. Nach dem Krieg wurde diese Architektur in Westdeutschland zum Sinnbild von Öffentlichkeit und Demokratie, und das Material Glas als Ausdruck von Ehrlichkeit und Durchsichtigkeit, und entsprechend der International Style zum Vorbild erklärt. Umgekehrt war die Situation in Ostdeutschland: In der DDR wurde zunächst offen über die Architektur des Wiederaufbaus diskutiert und dann mit dem "Aufbaugesetz" von 1950 die Orientierung am nationalen Kulturerbe und der lokalen Bautradition beschlossen und damit der Idee des Neuen Bauens eine Absage erteilt.[24]
Neben den kriegsbedingten und ökonomischen Folgen waren es also solche theoretischen Überlegungen, die über die Räume, in denen Menschen leben mitbestimmt haben.
Die geistigen Orientierungen, die hierbei leitend waren, sind nicht alleine solche der Architekturtheorie im engeren Sinne, sondern, wenn man einen zeitgenössischen Begriff nimmt, architektursoziologische, oder, wenn man den Begriff in seiner antiken Weite fasst, politische Überlegungen. Und diese politischen Überlegungen rekurrieren ihrerseits auf philosophische Gedanken.
Implizit kommen hier also philosophisch-anthropologische Gedanken zum Tragen, die immer wieder neu Antworten auf die Frage suchen, was der Mensch ist, damit man sich eine Vorstellung davon machen kann, wie der Mensch leben will.
Und gerade, weil es darum geht, wie der Mensch lebt, erstaunt es, dass Disskussionen über den Stellenwert des privaten und öffentlichen gebauten Raumes kaum stattfinden. Gegenbeispiele, die man hier anführen könnte, fokussieren meist auf einzelne Projekte und bestätigen dabei eher die These, dass die Öffentlichkeit an Architektur erstaunlich uninteressiert ist als dass sie diese widerlege. So erwiesen sich beispielsweise die öffentliche Debatten über den Abriss des Berliner Palastes der Republik, den Wiederaufbau des Berliner Schlosses oder des Umbaus des Stuttgarter Bahnhofs in erster Linie als Streit um den Stellenwert von städtebaulichen Ikonen und politischen Positionen und weniger als Streit um Architektur, deren vornehmstes Thema doch der Bau von Häusern, in denen Menschen wohnen können, ist. Das Desinteresse an Architektur ist deshalb erstaunlich, weil es dabei doch um nicht weniger geht als die Räume, in denen wir leben. So kann man im Nachhinein sich nur wundern, dass der seit den 1950er Jahren vorangetriebene Umbau der Stadträume unter dem Primat der Autogerechtigkeit mit gleichgültigem Wohlwollen hingenommen wurde. Der Preis dieses Umbaus ist indes immens und zeigt sich im Verlust von Heimat im Sinne eines Behaustseins. Um sich die Wirkung dieses Verlustes vor Augen zu führen, denke man etwa an das Verschwinden des Platzes, das Durchschneiden von Stadtachsen mit Schnellstraßen, den Bau von Hochgaragen in der City und an den Bau von Fussgängerzonen, welche analog zu den Stadtautobahnen entstehen und auch die Fussgänger unter Beschleunigungsdruck setzen;[25] die Kultur des Flanierens wird nun abgelöst durch das Rennen.
Die Tatsache, dass Menschen in architektonischen und städtebaulichen Räumen leben, in denen sie sich immer weniger erleben können und gleichwohl kaum ein Bedürfnis zeigen, gegen diese Situation zu opponieren, verweist auf ausgedünnte und verkümmerte Selbstwahrnehmungen und einem Verlust des Sinns für Gemütlichkeit. Bereits am Begriff der Gemütlichkeit werden viele wegen seines vermeintlich Altmodischen Anstoss nehmen. Dabei verfügen jedoch die meisten Menschen über einen ausgeprägten Sinn für Gemütlichkeit, der sich immer dann zeigt, wenn jemand sagt: "Hier ist es ungemütlich". In der Regel weiss jeder, was gemeint ist: "Ungemütlich" wird uns zu Gemüte, wenn wir uns in einen Raum begeben, in dem sich Menschen kurz vor dem Ausbruch eines heftigen Streits befinden; "ungemütlich" finden wir es aber in der Regel auch, wenn wir in einer zugigen Ecke sitzen. Welchen Aufschluss bieten diese Wahrnehmungen über den Begriff der Gemütlichkeit?
Gemütlichkeit bezeichnet die Wahrnehmung einer bestimmten atmosphärischen Konstellation, welche Räume ausfüllt. Gemütlichkeit bedarf dabei - in der Aussenperspektive - einer bestimmten räumlichen Fülle, wobei sowohl andere Menschen wie aber auch bestimmte Raumkonstellationen diese Fülle zustande bringen können. Dass auch organisch-unbelebte Räume Gemütlichkeit verströmen können, weiss jeder Innenarchitekt, der in einem Möbelhaus Wohnatmosphäre zu gestalten hat. Durch die Gruppierung der Möbel und eine bestimmte Licht- und Farbwahl werden Atmosphären geschaffen, die als gemütlich erlebt werden können.
Das Gemüt führt uns unmittelbar zurück zur Leiblichkeit. Der Menschen Leiblichkeit lässt sie die Welt, die sie umgibt und in der sie leben erleben. Die für unser Wohlbefinden wichtige Reflexion dieser Zusammenhänge kann man als "Philosophie des Wohnens" bezeichnen.[26]
Wie die Lebenskunst insgesamt so schöpft auch die gelebte Kunst des Wohnens aus dem kultivierten Sinn des Dazwischen. Die Schulung der Wahrnehmung, welche für Kontraste sensibilisiert und die das Dazwischen erkennt und somit auch erst für Stimmungen empfänglich macht, verweist immer auf das Ganze und misslingt im abgegrenzt Partikularen.
Wenn wir mit den umbauten Räumen unserer Wohnung beginnen, werden wir natürlich letztlich auch zu den umbauten Räumen der Natur, also zu unseren Städten uns in ein Verhältnis setzen. Die damit eröffnete städtebauliche Perspektive leistet ihren Beitrag, die Fragmentierung des Blicks aufzubrechen. Dieser Weitung wohnt auch eine temporale Note inne: Tritt an die Stelle des Blickes auf den herausragenden Bau, dem bei allem Verdienst, welche dem neuen Interesse an Architektur gebührt, etwas Eventmäßiges und Fragmentierendes an sich hat, der Blick auf das Ganze der Stadt, so bringt dies auch Ruhe und Langsamkeit in die Betrachtung.[27]
4. Warum nicht gleich so?
Die Weisen der Lebenskunst, welche hier exemplarisch betrachtet wurden und die sich durch weitere ergänzen ließen, kommen überein in der Ausdifferenzierung des Wahrnehmungssinns. Lebenskunst erweist sich in diesem Sinne als Bemühen, sich den Blockierungen unserer Wahrnehmung zu widersetzen und die Anstrengung zum Eigenen aufzubringen und den Streit um die Authentizität zu wagen. Wenn sich dabei die Kunst, das eigene Leben zu entwerfen, als Novelle und die Summe der Erfahrungen des Lebens als Biografie offenbaren, dann wird auch die Kritik an dem Ambiente der modernen Lebenswirklichkeit als eine Kritik an der verweigerten und blockierten Erfahrung[28] verständlich.
Dass die Lebenskunst eine widerständige Lebensform ist, zeigt sich nicht alleine in ihrer Opposition gegen aufoktroyierte Erkenntnis- und Wahrnehmungsprogramme der herrschenden Zeit-, Natur- und Bauregime. Ihre besondere Bedeutung erlangt die Lebenskunst erst in der dritten Dimension: Weder Drinnen oder Draußen, weder Vorher oder Nachher, weder In-mir oder Außer-mir, weder Licht oder Dunkel, sondern das Dazwischen stellt für eine auf Einfachheit und Überschaubarkeit bedachte Gegenwartskultur die eigentliche Herausforderung dar. Damit entwickelt die Lebenskunst geradezu einen Sinn für Nichts: das Dazwischen ist ebenso ein Nirgendwo wie die Übergänge ein Noch-Nicht sind. Wider die allzu einfache Alternative von Sein und Nicht-Sein stellt die Lebenskunst die Vorstellung gelebten Lebens, welche sich den lebensfremden Einrahmungen widersetzten. Während der Künstler, die Künstlerin des eigenen Lebens mithin das Aufmerken auf die Zwischenräume kultivieren und damit eine Aufmerksamkeitsschulung in eigener Sache betreiben, erhöhen sie zugleich die Ansprüche an die eigene Zufriedenheit. Auch damit stehen Lebenskünstler quer zur Zeit. Denn diese ist geprägt durch ein gigantisches Arsenal an Gütern, das in der längst überversorgten Kultur der Industriegesellschaft in Permanenz weiter ausgebaut wird. Neben dem materiellen Umbau der naturalen und architekturalen Lebenswelt wird durch die Zersplitterung der Zeit eine souveräne temporale und durch die Schrumpfung ehemals großer Begriffe - man denke an die durch die sozialen Medien vertretenen Freiheits- und Freundschaftsbegriffe - eine souveräne Wertorientierung erschwert. Diese dramatischen Veränderungen zu erkennen und in ihrer Tragweite zu würdigen, ist die erste Aufgabe einer um die Aufmerksamkeitsschulung bemühten Lebenskunst; gegen diese omnipräsenten Angebote den Anspruch auf das Eigene zu verteidigen ist die zweite und praktische Aufgabe der Lebenskunst. Man sieht, in der Antike wie heute gilt: Lebenskünstler lassen sich nicht vorschnell abspeisen.
*Die ungekürzte Fassung dieses Textes erscheint in: A. Classen (Hg.): Wahres Leben und Tod vom 16. Jahrhundert bis zur Neuzeit. Berlin 2012.
[1] Platon: Phaidon, In, Jubiläumsausgabe sämtlicher Werke zum 2400. Geburtstag. Bd. III, Zürich 1974, 117c-e, S. 101f.
[2] Epiktet: Handbüchlein der Moral. Griechisch/Deutsch, Stuttgart 1992, Nr. 33, S. 51-53,
[3] Epiktet, siehe Anm. 2, Nr. 33, S. 53.
[4] Epiktet, siehe Anm. 2, Nr. 33, S. 51.
[5] In diesem Sinne stellt beispielsweise Bernard Williams fest: "The starting point of philosophy is that we do not understand ourselves well enough ... Philosophy`s methods of helping us to understand ourselves involve reflecting on the concepts we use, the methods in which we think about these various things; and it sometimes proposes better ways of doing this." (Ders.: Why Philosophy needs History. In: London Review of Books 17. October 2002, S. 7-9, S. 7). Und Charles Taylor stellt fest, Philosophy "involves a great deal of articulation of what is initially inarticulated" (ders.: Philosophy and its History. In: Philosophy in History. Hg. von R. Rorty, J.B. Schneewind, Q. Skinner. Cambridge 1984, S. 17-30, S. 18, beide Stellen zitiert bei Hans-Johann Glock:What is Analytic Philosophy? Cambridge 2008, S. 98).
[6] Nietzsche, Friedrich siehe Anm. 11, Aph. 270, S. 519.
[7] Goethe, Johann Wolfgang von: Hamburger Ausgabe in 14 Bde., Bd. 6, Romane und Novellen I, München 1996, S. 760.
[8] Taylor, Charles : Das Unbehange an der Moderne. Frankfurt/M. 1995, S. 38.
[9] Taylor, Charles: Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität. Frankfurt/M. 1996, S. 52-81, hier setzt sich Taylor mit der Position auseinander, dass man "ein Selbst (...) nur unter anderen Selbsten" ist, S. 69; in diesem Sinne auch bereits M. Heidegger, S. 116: "Und so ist am Ende ebensowenig zunächst ein isoliertes Ich gegeben ohne die Anderen." (ders.: Sein und Zeit. Tübingen 1979.
[10] Heidegger, Martin siehe Anm. 16, S. 126.
[11] Heidegger, Martin siehe Anm. 16, S. 295.
[12] Heidegger, Martin Zollikoner Seminare. Frankfurt/M. 1987, S. 113.
[13] Franklin, Benjamin The Papers of Benjamin Franklin, Volume 3: January 1, 1745 through June 30, 1750. Edited by Leonard W. Labaree, Whitfield J. Bell, Helen C. Boatfield, and Helene H. FinemanAdvice to a young tradesman. New Haven 1961, Vol. 3, S. 304.n. 33e Anm.. Frankfurt/M: 1998.
uristischem Terrain. Verloren gegangen sind die Feldwege, die direkt am Haus begannen.nt Ghandi
[14] Adam, Barbara: Das Diktat der Uhr. Frankfurt/M. 2005; zur Gegenwartsverkürzung siehe Lübbe, Hermann: Im Zug der Zeit. Verkürzter Aufenthalt in der Gegenwart. Berlin1992.
[15] Zu den dramatischen Folgen der Okkupation durch die Zeit-ist-Geld-Ideologie siehe Michael Ende: Momo oder die seltsame Geschichte von den Zeitdieben. Stuttgart1973.
[16] Virilio, Paul: Rasender Stillstand. Frankfurt/M: 1998, Kap. 5.
[17] Bernhard Waldenfels drückt den Kunst-Anteil des Aufmerkens wie folgt aus: "Künste sind immer auch Aufmerksamkeitskünste", ders. Phänomenologie der Aufmerksamkeit. Frankfurt/M. 2004, S. 10.
[18] Die verweigerte Korrespondenz zeigen die virtuellen Erfahrungen besonders im Bereich der Sexualität, siehe dazu u.a. Rudolf zur Lippes Beobachtungen: "Pornographie ist die Geschichte der Verfügung über den Leib, die der Lust diese oder jene Resultate verspricht. Genau dies tut die Spaßgesellschaft. Nicht etwa ist ein erotisches Leben der Berührungen und Ahnungen, der Begegnungen und Erregungen gemeint. Die Spaßinszenierung fängt da an, wo der Spaß aufhört - mit dem Begehrten", ders. : Eine Kunst der Wahrnehmung. Askese und neue Entfaltung. In: Michael Hauskeller (Hg.), Die Kunst der Wahrnehmung. Beiträge zu einer Philosophie der sinnlichen Erkenntnis. Zug 2003, S. 201-227, S. 222.
[19] Dem Ausbau der Wege in den touristisch erschlossenen Gebieten steht der Verlust an Spaziermöglichkeiten in der Umgebung des eigenen Wohnens gegenüber. Da waere ich mir nicht so sicher. Es gibt jetzt in D z.B. das Gruene Band mit zahllosen Wandermoeglichkeiten? Der deutsche Wald zeichnet sich gegenueber dem amerik. gerade dadurch aus, dass man dort wandern kann. Sind wir dann nicht wieder auf touristischem Terrain. Verloren gegangen sind die Feldwege, die direkt am Haus begannen.
[20] Unter diesen dramatischen Begriff stellen Klaus Ewald und Gregor Klaus ihre grosse Untersuchung zur Veränderung des Naturraums in der Schweiz. Den Verlust an Natur und Landschaft, den sie hier beobachten und dokumentieren, gilt mehr oder weniger für alle modernen Industrieländer, siehe dies. Die ausgewechselte Landschaft. Vom Umgang der Schweiz mit ihrer wichtigsten natürlichen Ressource. Bern 2009. 2009.
[21] Klaus Ewald, Gregor Klaus siehe Anm. 49, S. 38ff.
[22] Klaus Ewald, Gregor Klaus siehe Anm. 49, S. 24f.
[23] Lampugnani, Vittorio Magnago: Zwischen Traditionalismus und Modernismus. In: Hans Wielens (Hg.): Bauen Wohnen Denken. Martin Heidegger inspiriert Künstler. Münster1994, S. 50.
[24] Lampugnani siehe Anm. 52, S. 51.
[25] Antje Havemann, Klaus Selle: Plätze, Parks & Co. Stadträume im Wandel. Analysen, Positionen, Konzepte. Dortmund 2010.
[26] Der Begriff stammt von Soentgen, Jens: Die verdeckte Wirklichkeit. Bonn1998, S. 77.
[27] Ernst Bloch hatte an modernen Bauten deren Fluchtcharakter bemängelt, der bewirkt, dass ein Haus aussieht, wie ein Schiff, und demgegenüber die Besinnung auf die städtebauliche Konzeptionen begrüßt, die in ihrer Besinnung auf den Platz gleichsam eine Erdung des Blicks einführt (ders. Anm. 63, S. 862ff).
[28] In diesem Sinne beschreibt Gert Selle die Bedeutung der frühkindlichen Erfahrungen für die "Raumerfahrungsbiographien" (ders. Im Raum sein. Über Wahrnehmung von Architektur. In: Michael Hauskeller (Hg.): Die Kunst der Wahrnehmung. Beiträge zu einer Philosophie der sinnlichen Erkenntnis. Zug 2003, S. 261-279, S. 268), ähnlich Waldenfels, Bernhard: Leibliches Wohnen im Raume, in Gerhart Schröder/Helga Breuninger (Hg.): Kulturtheorien der Gegenwart, Frankfurt/M. 2001, S. 179-202.; Jean-Paul Thibaud schließlich akzentuiert die "sinnliche Umwelt von Städten" (ders.: Die sinnliche Umwelt von Städten. Zum Verständnis urbaner Atmosphären. In: Michael Hauskeller (Hg.): Die Kunst der Wahrnehmung. Beiträge zu einer Philosophie der sinnlichen Erkenntnis. Zug 2003, S. 280-297, S. 280).